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Herrenrasse

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Zwischen dem Angeklagten Alfred Rosenberg und dem amerikanischen Anklagevertreter Dodd gab es am 17. April 1946 im Nürnberger Prozeß einen denkwürdigen Dialog. Rosenberg beschwerte sich über die englischsprachige Übersetzung der Prozeßakten und Gespräche. Dort werde immer von „Herrenrasse“ gesprochen, englisch „Master Race“. Dieser Begriff sei aber in den vorgelegten deutschen Dokumenten gar nicht enthalten. Schon vorher hatte sich Rosenbergs Verteidiger Thoma gegen die ständige Wiederholung des Herrenrassen-Begriffs im Zusammenhang mit seinem Mandanten ausgesprochen. Mehr noch: In Rosenbergs sämtlichen Schriften komme dieser Ausdruck kein einziges Mal vor.

„Das interessiert mich nicht“, gab Ankläger Dodd zurück. Damit lag er auf jener Linie, die im weiteren beibehalten wurde. Die Nürnberger Anklagebehörde insistierte auf dem Vorwurf des „Herrenrassedünkels“ mit genau diesem Ausdruck und auch das Schlußplädoyer der Anklage warf Rosenberg unverdrossen vor, die „Herrenrasse“ gepredigt zu haben.

Der Begriff stand nie im Zentrum des NS-Weltbildes

Aus heutiger Sicht wirkt der Streit zunächst skurril. Zum einen scheint nichts einfacher zu sein, als ihn sofort verbindlich zu entscheiden. Ob der NSDAP-Chefideologe Rosenberg in seinen Schriften von „Herrenrasse“ gesprochen hat oder nicht, sollte mit wenig Aufwand zu klären sein. Hat er das nicht, sollte der Sprachgebrauch wohl leicht zu ändern sein, ohne daß die Anklage von den sonstigen schweren Vorwürfen gegen Rosenberg etwas zurücknehmen müßte. Auf der anderen Seite hat sich der Begriff der „Herrenrasse“ als scheinbarer Teil des nationalsozialistischen Weltbilds inzwischen derart etabliert, daß Rosenbergs Widerspruch irritierend wirkt. Wie kann einer versuchen, dies abzustreiten?

Letzteres sehen jedenfalls die eifrigen Geschichtsdilettanten des Wikipedia-Lexikons so und erklären flugs, „der Begriff Herrenrasse“ sei „ein zentraler Begriff zur Zeit des Nationalsozialismus“ gewesen. Später wird dort über die Herkunft des „in der NS-Ideologie benutzten Begriffs Herrenrasse“ berichtet. Nun sollte man meinen, daß die eifrigen Zitatsammler des Online-Lexikons irgendeinen Nationalsozialisten herbeigeschafft haben, der von „Herrenrasse“ gesprochen hat, oder ein Dokument, in dem der Ausdruck vorkommt. Das haben sie leider nicht, so wenig wie damals die Nürnberger Anklage ein solches Zitat bringen konnte. Den angeblich „zentralen Begriff“ ihrer eigenen Ideologie kannten die Nationalsozialisten offenbar selbst nicht, jedenfalls verwendeten sie ihn nicht, schon gar nicht zentral.

Es sind solche Details, die den großen Einfluß der Nürnberger Geschichtspolitik und der darauf aufgebauten Nachkriegsbildung aufzeigen. Die Differenz zwischen damaligen Ereignissen und heutigen Deutungen kommt hier schon im Sprachgebrauch gut zum Ausdruck. Das hat Folgen, auch in der Politik. Ende letzten Jahres wies die mecklenburgische SPD-Politikerin Stefanie Drese im Namen und unter dem dröhnenden Beifall der Fraktionen von CDU, SPD, Grünen und Linken einen NPD-Antrag auf den biologischen Erhalt des deutschen Volks als „menschenverachtende Forderung“ zurück. Begründung: Es seien zwei Weltkriege (sic) von Deutschland ausgegangen – damit die „deutsche Herrenrasse über den anderen Völkern stehen solle“.

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